Zweifelsohne hat Odernheim touristisches Potential. Durchreisende, die erstmalig hierher kommen, sind häufig sehr angetan von der Landschaft und der Lage des Ortes. Kommt man beispielsweise von der Lettweiler Höhe, liegt das Dorf von sanften Hügeln umschlossen wie in einer Schüssel. Weinberge, die ja gerne romantisiert werden, kleinere Waldstücke und der Glan, der unweit in die Nahe mündet, vermitteln ein Idyll.
Aus touristischer Sicht natürlich eine Sensation, dass die weltbekannte Hildegard von Bingen hier fast 40 Jahre gelebt hat, wo zudem noch eindrucksvolle Ruinen von der damaligen Zeit künden. Aber man muss schon Vorwissen mitbringen, um auf dieses historische ´Highlight` zu stoßen. Zwar gibt es inzwischen einen Pilgerweg, doch unwissende, autofahrende Durchreisende würden den Disibodenberg wahrscheinlich unbeirrt links liegen lassen. Immerhin, von vielen Odernheimern kaum bemerkt, besuchen etwa 20 000 hildegard-interessierte Touristen jährlich die eindrucksvollen Ruinen. Esoteriker, gläubige Christen, Adelsinteressierte, Historiker und andere Gruppen machen deutlich, welch touristisches Potential die Klosteranlage auf dem Disibodenberg hat.
Doch will man das überhaupt nutzen?
Sicherlich würden Gastronomiebetriebe, Pensionen und Läden und somit auch die Ortsgemeinde finanziell profitieren, doch die Schattenseite eines verstärkten Tourismus` liegt auf der Hand: mehr Autoverkehr, erhöhter Bedarf an Parkplätzen, steigende Ansprüche an Bewirtung, umherirrende Pilger, die nach Stempeln und ähnlichen Souvenirs Ausschau halten. Jörg Maschtowski, Bad Sobernheimer CDU-Ratsmitglied, hatte sicherlich nicht ganz unrecht, als er auf einem Tourismus-Workshop 2018 bemerkte, dass Hildegard keinen Bock auf den ganzen Merkantilismus hätte, und dass die Leute, die da oben hingehen, die Aura genießen wollen und nicht die Vermarktung.
Ist das möglicherweise auch die Meinung der führenden Ortsgemeindepoltiker? Ist das möglicherweise der Grund, warum die Hildegardstatue auf dem Marktplatz auch im Vergleich zum gestifteten Bücherschrank etwas zu mickrig ausfällt und der Bürgermeister sie schon ins Neubaugebiet an der Lettweiler Straße versetzen lassen wollte?
In jenem Neubaugebiet, dass nicht ganz überraschend die Reste einer Römervilla zutage treten ließ und eine zusätzliche Attraktion Odernheims hätte werden können. Zeigten die OG-Verantwortlichen nicht einen gewissen Weitblick, indem sie sich direkt damit einverstanden erklärten, die historisch nicht gerade bedeutenden Mauerreste, „schreddern“ zu lassen? Letztlich wurden die beachtlichen Funde römischen Lebens am Glan mit Erde (siehe Foto) zugeschüttet und möglicherweise für spätere Generationen auf diese Weise erhalten. Weitere Parkplätze und Umgestaltungen des Regenrückhaltebeckens waren somit nicht notwendig.