Der Hubschrauber kreist wieder über Odernheim. Es klingt immer etwas bedrohlich, wenn das wabernde Knattern von den Steilhängen des Stempelsbergs oder vom Südhang des Disibodenbergs reflektiert wird und der Hubschrauber in spektakulären Wendungen im Auftrag einer „Spritzgemeinschaft“ um die Weinberge kurvt. Es geht dabei um Schutz, um vorbeugenden Schutz!
Der Winzer möchte seine Reben in erster Linie vor Pilzbefall schützen. Dies wird vorbeugend gemacht, so wie es am Rande der Spazier- und Wanderwege auf Warnschildern zu lesen steht. „Vorbeugend“ hört sich beruhigend an, heißt aber nur, dass man auf jeden Fall schon mal spritzt, egal, ob ein Pilzbefall droht oder nicht. Dass der Winzer dies so handhabt, ist nachvollziehbar. Er möchte jedes Jahr eine reichliche Ernte einfahren, und jeder, der einen Garten bewirtschaftet, weiß, wie ärgerlich es ist, wenn beispielweise die Schnecken über den Salat herfallen und die vorherige Mühe des Pflanzens und Gießens umsonst war (für die Schnecken war´s ok). Schließlich hat man auch Geld investiert. Das ist beim Winzer auch so, es gibt allerdings noch andere Motive:
„Der Sinn der Hubschrauberspritzung liegt in der Entlastung des Winzers, sowohl in arbeitswirtschaftlicher als auch gesundheitlicher Hinsicht.“ (Mittelrheinische Rebschutzgesellschaft).
Der Winzer spart Geld, weil die Behandlung schneller erledigt wird und Lohn für zusätzliche Mitarbeiter nicht anfällt. Man könnte die Spritzungen in Handarbeit gezielter an die Rebstöcke bringen, wäre selbst aber verstärkt dem Gift ausgesetzt, dass man im Steilhang ausbringt. Der Hubschraubereinsatz sorgt also auch für gesundheitlichen Schutz des Winzers. Aber, wie sieht es aus mit der Gesundheit und dem Schutz der Anwohner, der Wanderer und Pilger, der Böden, der Insekten, der Vögel, der Wildpflanzen, der Oberflächengewässer, des Grundwassers?
Die giftigen Aerosole, die in diesem Jahr schon zum fünften Mal (nächster geplanter Termin 06.07.) vom Hubschrauber verteilt wurden, enthalten nicht weniger als einen Cocktail von bis zu zehn unterschiedlichen Chemikalien. Sie wurden zwar alle langen Testreihen (vom Hersteller) unterzogen, bevor eine Zulassung erfolgte, doch die mit den Mitteln verbundenen Warnhinweise sprechen eine eigene Sprache und lassen jede vorab ausgesprochene Beruhigung wie eine Seifenblase zerplatzen. Hier eine kleine Auswahl der verwendeten Stoffe, samt einer beispielhaften Zusammenstellung dazugehöriger Warnungen:
- Folpan 80 kann allergische Reaktionen hervorrufen, verursacht schwere Augenreizung, gesundheitsschädlich beim Einatmen, kann vermutlich Krebs erzeugen, giftig für Wasserorganismen, schädigend für Populationen relativer Nutzinsekten usw.
- Enervin sehr giftig für Wasserorganismen (u.a. Fische und Algen) mit langfristiger Wirkung, jeden unnötigen Kontakt mit dem Mittel vermeiden usw.
- Netzschwefel wiederholter Kontakt kann zu rissiger und spröder Haut führen, beim Umgang mit dem Produkt nicht essen, trinken oder rauchen, der Arsengehalt des Schwefels darf 250mg/kg nicht überschreiten usw.
- Profiler verursacht schwere Augenreizung, sehr giftig für Wasserorganismen, behandelte Flächen erst nach Abtrocknen des Spritzbelages wieder betreten usw.
- Vivando beim Umgang mit unverdünntem Mittel Schutzanzug und festes Schuhwerk tragen usw.
- Talendo extra kann die Atemwege reizen, kann vermutlich Krebs erzeugen usw.
Wie erwähnt, ist dies nur eine Auswahl der Mittel, die bereits in Odernheim per Hubscharuber ausgebracht wurden. Wer dem Prozedere vor allem am Stempelsberg, aber auch am Disibodenberg mal zugeschaut hat, wird leicht feststellen können, dass sich eine Abdrift der Sprühnebel, je nach Windstärke, gar nicht vermeiden lässt. Man nimmt eine Gefährdung, beispielweise der Anwohner am Stempelsberg oder der Bewohner der Niedermühle in Kauf und die tragen, genauso wie Wanderer auf dem Hildegard-Pilgerpfad, keine Schutzausrüstung. Von Wanderern scheint man zu erwarten (siehe Warnschild), dass sie sich vorab über die geplanten Spritztouren der Hubschrauber informieren und entsprechend ihre Ausflüge planen, ansonsten droht u. U. eine Meditation im Sprühnebel.
Hinzu kommt am Stempelsberg das Vorhandensein eines kleinen namenlosen Bächleins, dass sich idyllisch, am Wingert entlang, den Berg herabschlängelt und in den Odernheimer Heimelbach mündet. Das Vorkommen eines Gewässers ist eine strenge Kontraindikation (ADD ) zum Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln. Das Argument, der Bach führe nicht durchgängig im Jahr Wasser, reichte den Verantwortlichen aus, eine Genehmigung zu erteilen. Hinzu kommt, dass die Kombination der verschiedenen Chemikalien, die sich im Behälter des Hubschraubers befindet, unbekannte Risiken birgt. Die Wechselwirkungen sind nicht erforscht. „Wird als nicht Bienen gefährdend eingestuft“ lautet eine Formulierung, die in der Produktbeschreibung der verschiedenen Mittel häufiger zu lesen ist. Sie legt schon offen, dass man sich nicht sicher ist, ob dies tatsächlich so ist.
Letztlich werden die Gifte, die im beschriebenen Bachlauf landen, sich nicht in Luft auflösen. Mit den nächsten ergiebigeren Regenfällen wird das Bachbett ausgewaschen und seine teuflische Fracht über den Heimelbach in den Glan spülen. Fische, bei der Benutzung der neuen Treppe werden schon mal kalt erwischt und eine Attraktion, ein Pfund, mit dem Odernheim wuchern könnte, ist direkt bedroht. Welcher Ort bietet im Sommer noch die Möglichkeit sich in einem vermutlich weitgehend sauberem Naturgewässer Abkühlung zu verschaffen. Am Wehr der Bannmühle kann man ein Idyll erleben, dass es in der Art nicht mehr häufig gibt. Hier sollte von Seiten der Ortspolitik alles Erdenkliche getan werden, diese Möglichkeit zu erhalten und jeglichen Gifteintrag zu unterbinden. Die eingegangenen Risiken und Schäden in der Natur, durch die regelmäßigen Spritzungen, stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Das Wehr an der Bannmühle Einmündung des Heimelbachs z. Zt. trocken
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