Lesetipps für den Sommer

Nein, es sind keine Geheimtipps mehr, denn das erste Buch, das ich empfehlen möchte kam 2017 auf den Markt und stand 65 Wochen lang in der Spiegel-Bestsellerliste: „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky.

Ich habe beim Lesen eines Buches noch nie so viel gelacht, wie bei diesem. Und gegen Ende musste ich gar weinen. Mit skurrilen Charakteren und herrlicher Situationskomik vermittelt M. Leky eine tiefgehende Menschlichkeit. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass es Mariana Lekys Buch direkt unter die besten 10 Bücher meiner persönlichen Literaturrangliste geschafft hat.

Hier ein kurzer Auszug:

(Elsbeth)  trug schon seit Anbeginn der Welt immer die gleichen Pantoffeln. Wenn die Sohlen wegen ihrer O-Beine außen abgelaufen waren, zog sie einfach den rechten Pantoffel an den linken Fuß und den linken Pantoffel an den rechten, so ging es dann noch eine Weile, bis sich irgendjemand erbarmte und ihr neue schenkte. Elsbeth war klein und dick, so dick, dass sie sich beim Autofahren ein Stück Teppich über den Bauch legte, damit das Lenkrad nicht daran scheuerte. Elsbeths Körper war nicht für ständiges Hin und Her gemacht. Unter den Armen und am Rücken ihres Kleides, das so groß geblümt war wie die Tapete im Wohnzimmer und an Elsbeth genau so eng anlag wie die Tapete an der Wand, bildeten sich dunkle Flecken. (Auszug: „Was man von hier aus sehen kann“, Mariana Leky, Dumont 2017)

Und Dörte Hansen, die vor kurzem ihr drittes Buch „Zur See“ veröffentlicht hat, ist inzwischen auch beim Lesepublikum bekannt. Im vergangenen Jahr war sie Stadtschreiberin in Mainz, gleich bedeutend mit einem Preis, der ihr kostenfreies Wohnen im Gutenbergmuseum zusicherte. Dörte Hansen ist eine begnadete Autorin. Sie hat einen ganz eigenen Erzählstil mit einem melancholischen Grundton, der in all ihren drei Romanen mitschwingt. Sie ist dabei eine herausragende Chronistin der Veränderungen des Dorf- und Landlebens in den vergangenen Jahrzehnten. Immer wieder verblüffend finde ich ihre Treffsicherheit, wenn sie Situationen beschreibt und vergleichende Bilder auftut:

Jeden Sommer zogen Badegäste in die Kinderzimmer. Fremde Menschen hängten ihre Kleider in die Schränke. Fremde Köpfe lagen auf den Kissen, fremde Koffer unter ihren Betten, und die Inselkinder wurden weggeräumt. Auf Klappliegen verstaut in Elternzimmern und auf Feldbetten in Abstellkammern, auf Matratzen im Spitzboden, wo die Spinnen an den Balken baumelten und Mäuse huschten. Im Sommer wurden Inselkinder unsichtbar wie Flaschengeister. Luftwesen von Juni bis August.

(Auszug: „Zur See“ von Dörte Hansen, Penguin Verlag, 2022) „Altes Land“, „Mittagsstunde“ und „Zur See“ sind gleichermaßen zu empfehlen.

Eine Antwort auf „Lesetipps für den Sommer“

  1. Hallo Benno,
    ich bin Mitglied in einem Literaturkreis und dort haben wir Mariana Lekys Roman auch gelesen, ziemlich zeitnah nach Erscheinen und alle sechs Leserinnen waren sehr begeistert von der Lektüre. Eine sehr gelungene Mischung aus Humor, Tiefgang und ein bisschen Mystik. Manchmal für meinen Geschmack haarscharf an der Grenze zum Kitsch, aber das ist eher Jammern auf hohem Niveau. 2017 hab ich leider schon nicht mehr im Buchhandel gearbeitet, das wäre nämlich ansonsten ein Buch gewesen, das ich sehr gerne aktiv verkauft hätte.
    Freut mich besonders, dass du zwei Buchempfehlungen von Frauen aussprichst. Jahrelange Verkaufserfahrung im Handel hat mir gezeigt, dass männliche Leser ziemlich selten Bücher von Frauen kaufen bzw. lesen wollen, warum auch immer, das so ist.

    Liebe Grüße
    Karin Bachmann

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