Odernheimer Bauausschuss besichtigt den Spielplatz im „Äppelgraben“

1 Seilbahn, 2 Schaukeln und ein ausgeschlagenes Weidentipi

Vor ein paar Wochen traf der Bauausschuss des Ortsgemeinderats zur Besichtigung des `Spielplatzes am Äppelgraben´ zusammen, da etwa 4000 € im Haushalt für die Spielplätze Odernheims zur Verfügung stehen. In den letzten Jahren hat vor allem die Naturschutzbund-Kindergruppe (NABU) den Platz mit Leben gefüllt. Die Kinder, die seinerzeit mithilfe vieler ehrenamtlich engagierter Eltern u. a. ein Weidentipi (siehe rechts auf dem Foto) errichteten, sind inzwischen dem Spielplatzalter entwachsen und auch das Tipi ist in die Höhe geschossen. Es braucht Pflege. Das naturnahe Areal, das sich zwischen Maxdorf und Müggelheimer Str. wie ein Handtuch an den Hang schmiegt, bietet immerhin eine Seilbahn und zwei Schaukeln unterschiedlicher Art. Ein Kletterturm, der nicht mehr sicher war, wurde schon vor Jahren abgebaut und nicht mehr erneuert. Die eigentliche Attraktion ist jedoch der Heimelbach, der dort zurzeit munter Richtung Glan plätschert.

Kinder lieben es am Wasser zu spielen, kleine Staudämme mit Steinen zu errichten und mit Händen und Füßen in einem Bach zu plantschen.  In solchen Momenten sind sie mit sich und der Welt im Einklang. Was diese Attraktion angeht, ist der Äppelgraben-Spielplatz gegenüber den zwei anderen Spielplätzen konkurrenzlos. Einziges Manko: Das Gelände zum Bach fällt zum Teil sehr steil ab. Unverständlich in dem Zusammenhang ist das Entfernen von etlichen Bäumen (Erlen), die dort mit ihrem Wurzelwerk für Uferbefestigung sorgten. Jedenfalls muss überlegt werden, ob man die Risikoeinschätzung den spielenden Kindern überlässt oder aufwändig eine Absperrung installiert, die ja dann hoffentlich nicht den Zugang zum Bach verhindert.

Doch eine wichtige Grundlage aller Überlegungen darf natürlich nicht vergessen werden, bevor Gelder investiert werden: Wird dieser Spielplatz überhaupt ausreichend von Kindern genutzt???? Um dies abzuklären haben die Jugendlichen der NABU-Gruppe einen Fragebogen für die Kinder der Odernheimer Grundschule erstellt und verteilt. Es stellte sich heraus, dass den meisten Kindern der Spielplatz bekannt ist und sie auch wissen, wo er zu finden ist. Wie schon vermutet, schätzen sie das Spielen am und mit dem Wasser. Vermisst wird eine Klettergelegenheit. Dies sind erste Erkenntnisse aus der Befragung, eine genauere Auswertung der Fragebögen erfolgt noch.

Spielplatzkonzepte

In der Zeitschrift des Kinderschutzbundes  (KSA – Kinderschutz aktuell _Ausg. 3/20) berichtet J. Göres unter der Überschrift „Bauen, Buddeln, Matschen“  u.a. von der historischen Entwicklung der Spielplätze:  Dem dänischen Landschaftsarchitekten C.Th. Soerensen fiel schon in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf, dass konventionell angelegte Spielplätze nicht so viel Anklang fanden wie beispielsweise Schrotthalden oder Trümmergrundstücke. Er sah, wie die Kinder herumliegendes Material kreativ zum Spielen nutzten. Es war für ihn Anlass 1943 den ersten „Gerümpelspielplatz“ zu verwirklichen. Später entwickelte sich daraus das Konzept des Abenteuerspielplatzes , das 1967 in Berlin, erstmals in Deutschland umgesetzt wurde und auch heute noch angesagt ist. Allerdings bieten viele aktuelle Spielplätze sehr wenig, was den kreativen Umgang mit Wasser, Erde, Sand, Matsch und anderen Materialien betrifft. Vor allem an Autobahnraststätten kann man eingezäunte, seelenlose, gummiüberzogene Spielareale sehen, die in erster Linie den Sicherheitsvorgaben und Versicherungsauflagen entsprechen wollen, sich aber viel zu wenig an den Bedürfnissen der Kinder orientieren.

„Die Welt der Kinder spiegelt sich aber eher in einer Baugrube als auf einem supersicheren, hyperstylischen Spielplatz wider.“ (Quelle KSA). Aber auch Eltern haben viel Einfluss, was die Nutzung von öffentlichen Spielplätzen betrifft. Ist es ihnen überhaupt recht, wenn Kinder mit Wasser und Erde matschen und entsprechend „verschmutzt“ heimkommen? Begrüßen sie es, wenn  sie dort fremden Kindern begegnen? Trauen sie ihren Kindern überhaupt den Weg zum Spielplatz zu? Ist das Gelände auch attraktiv für begleitende Eltern (Mehrgenerationen-Konzept)?  Ist es ihnen nicht lieber, wenn sie im eigenen Vorgarten Schaukel, Rutsche und Trampolin nutzen können?  Sind die Spielgeräte auf dem Spielplatz nicht zu risikoreich?

Draußen spielen — A und O für eine gesunde Entwicklung von Kindern

Im eingangs erwähnten Artikel wird folgende erschreckende Statistik angeführt: Noch in den 70er Jahren verbrachten Kinder zum Spielen mehr als 30 Stunden pro Woche draußen. Heute ist diese Zeit auf unter 10 Stunden gesunken. Es braucht nicht viel Fantasie sich vorzustellen,  wie diese Zeit heutzutage verbracht wird, mit dramatischen Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder. Corona-bedingt  hat sich diese Problematik zusätzlich verschärft. Es fehlt der Ausgleich zum Sitzen in der Schule, es fehlt das Gegengewicht zur medialen Überfrachtung. Aggressionen steigen, Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen beobachten  vermehrt Verhaltensstörungen, ADHS-Syndrome und sogar Depressionen. Deshalb mein Rat an die Eltern: Gebt den Kindern mehr Freiräume, lasst sie die Welt, vor allem die Natur entdecken. Ein Grundschulkind im Alter zwischen 6 und 10 Jahren muss noch nicht im Kino gewesen sein. Sparen sie sich die kilometerweite Reise ins Fantasialand, in den Europapark oder ähnliches mehr. Sie werden staunen wie spannend für Kinder ein Spaziergang im nahegelegenen Wald und wie erholsam er für einen selbst ist. Remo Largo, der kürzlich verstorbene Kinderarzt und wissenschaftliche Autor zahlreicher lesenswerter Erziehungsratgeber sagt, er habe noch nie erlebt, dass Kinder sich im Wald langweilen. Aus meiner beruflichen Tätigkeit als Erzieher im Kindergarten kann ich dies nur bestätigen.

Sogenannte Helikoptereltern, die sich inständig um die Erziehung ihrer Kinder bemühen, meinen es nur gut, doch vergessen sie häufig dabei, dass Selbstständigkeit sich nur vermittelt, wenn Kindern beispielsweise der Weg zur Schule oder zum Spielplatz zugetraut wird, ja, sie gewissen Risiken ausgesetzt werden. Für die Entwicklung von Selbstverantwortung und Eigenständigkeit ist dies unerlässlich. Zu viele Eltern vergessen dies oder halten die Ungewissheit, wenn ihre Kinder allein unterwegs sind, vor lauter Angst nicht aus. Zum Wohle der eigenen Kinder sollte man daran arbeiten. Die Sicherheit erhöht sich nicht, wenn jeder Schritt der Kinder mit den besten Intentionen begleitet wird. Selbst die Unfallkasse Rheinland–Pfalz schreibt in ihren Vorgaben für Kitas: Ständige Überwachung der Kinder ist nicht sinnvoll, „weil Kinder für eine gesunde Entwicklung Freiräume zum Ausprobieren und zum selbständigen Handeln haben müssen.“ Und wenn es eine Lehre aus den Corona-Zeiten gibt, dann die, das frische Luft, Bewegung und soziale Kontakte wichtiger sind als beispielsweise komplette Hausaufgaben. Und mit frischer Luft sind wir hier in Odernheim durchaus gesegnet.

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