Vom Nil bis an den Glan

Seit ein paar Jahren haben sich Nilgänse in Odernheim angesiedelt und teilen sich den Lebensraum mit Ludwig, dem Schwan. Seit dem Frühjahr konnte man im Gefolge der Nilganseltern vier oder fünf Küken beobachten, die inzwischen die Größe ihrer Eltern fast erreicht haben. In der Nähe des Wehrs an der Bannmühle sind sie heimisch geworden. Erstaunlich fand ich, dass man ab und an Nilgänse auch auf Hausdächern sehen kann.

„Lieber eine Nilgans auf dem Dach, als eine Familie auf dem Sportplatz“,

wird so mancher Fußballer des SCO denken, wenn sich die Nilgansfamilie – geschützt durch einen stabilen Zaun –  mitten auf dem Rasenfeld gemütlich niederlässt und das Grün nachhaltig düngt.

Von „Abschießen“ ist schon die Rede. Und hier kommt ein fatales Denkmuster zum Tragen, das seinen Ursprung möglicherweise in der Bibel hat:

Genesis 1,28 : „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“.

Den Schaden, den dieser überlieferte Satz aus der „Heiligen Schrift“ angerichtet hat, kann man nur erahnen. Unsere Kultur im Umgang mit Tieren und Natur orientiert sich genau an dieser Aussage und beeinflusst maßgeblich unser Selbstverständnis.

Machen sich Wespen in der Nähe der Wohnung breit, findet man das passende Biozid einsatzbereit im Baumarkt oder bereits in der heimischen Garage. Warum schafft man keine Vorrichtungen am Haus, die es Wespen erlauben ein Nest zu bauen? Man kann in friedlicher Kooperation mit Wespen leben. Regelmäßig nagen Wespen am Holz meiner Gartenstühle, während ich beispielsweise in Ruhe frühstücke. Kleinste Holzfasern dienen dem Nestbau. Die Wespen kennen meinen Geruch und wissen, dass ich ihnen nichts antue. Wie alle Lebewesen spielen sie eine wichtige Rolle im Bedingungsgeflecht der Natur. (u.a. als Bestäuber oder natürlicher Fressfeind des Buchsbaumzünslers)

Bauen Schwalben ihre Nester unterhalb des Dachs an die Wand, sind die wenigsten Hausbesitzer bereit dies zu tolerieren. Natürlich ist der Kot der Schwalben unangenehm. Es ist jedoch ein Problem, das mit etwas Entgegenkommen lösbar ist. Früher galten die Schwalben als Glücksbringer, heute gibt es auch in Odernheim immer weniger Lebensraum für die faszinierenden Vögel.

Die Rheinauen am Kühkopf bei Stockstadt sind Feuchtgebiete und bieten wertvolle Nahrungsquellen für insektenfressende Vögel, Amphibien und vielen anderen Tieren. Vor der Besiedelung durch den Menschen wimmelte es hier von Mücken. Jetzt wo der Mensch sich angesiedelt hat, gilt es alljährlich die Mücken, die natürlich als Plage empfunden werden, zu bekämpfen. Man macht das relativ schonend mit dem Bazillus Thuringensis (biologische Bekämpfung), aber eigentlich waren die Mücken zuerst da.

Neubausiedlungen auf dem Land expandieren oft in Naturgebiete und bieten dem Menschen viel frische Luft und Kontakt zur Natur. Doch geht die Liebe zur Natur nicht so weit, dass man Verständnis aufbringen würde, wenn Wildschweine den angelegten Rasen durchpflügen. Wieder heißt es reflexartig „Abschießen“. Letztlich waren aber auch sie zuerst da.

Viele lieben es ein Haustier zu haben. Katzen sind die Lieblingshaustiere der Deutschen. Wenn das geliebte Haustier aber mit Krallen seinen Lebensraum in der Wohnung markiert, ist die Liebe zu den teuren Möbeln meist stärker als die zum Haustiger. Geradezu pervers finde ich es, wenn die Tierbesitzer den Katzen die Krallen entfernen.

Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Das Prinzip ist immer das gleiche. Wir, die Menschen, haben Vorrang. Was sich unseren Bedürfnissen entgegensetzt, wird vertrieben, bekämpft, ausgerottet, vernichtet. Auch Tiere haben Anspruch auf einen Lebensraum. Leider findet man so eine Aussage nicht in der Bibel und ist in weiten Teilen der Gesellschaft nicht verankert. Ein Umdenken tut Not, denn wie wir langsam aber sicher erkennen, schadet der Mensch sich mit seinen Vernichtungsfeldzügen letztlich selbst, da er die Komplexität der natürlichen Vorgänge nach wie vor unterschätzt und blind seinem Egoismus folgt.

Nur ein Beispiel, wie man achtsam mit der Natur umgehen kann. Beim „Bierengel“ in Meisenheim wurde die Überdachung um einen Baum herum gebaut.

Dass die Nilgans hier am Glan heimisch werden konnte, geht übrigens auch auf den Menschen zurück. In England führte man sie als Parkvogel ein. Dort sind einige ausgebüxt und haben sich in vielen Teilen Europas verbreitet.

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